Nach wie vor ist das Thema Corona in aller Munde. Da mich immer noch viele Fragen erreichen, habe ich Euch die wichtigsten Fragen und Antworten noch einmal zusammengefasst:
 
Warum gibt es aktuell diese ganzen Isolationsmaßnahmen und Veranstaltungsabsagen?
Das Schaubild oben zeigt die Antwort. Wir möchten den Ausbruch der Erkrankung deutlich verzögern und verlangsamen. Eine abgeflachte Kurve an Neuerkrankungen ist besser kontrollierbar durch unser Gesundheitssystem. Wir haben im Gegensatz zu anderen Ländern unseren Corona-Ausbruch sehr früh bemerkt und haben daher momentan eine sehr gute Ausgangsposition in der Bekämpfung der Infektion. Diese möchten wir nicht verlieren. Wir agieren deshalb momentan maximal präventiv, also vorbeugend.
 
Ist das nicht übertrieben?
Nun, vor wenigen Wochen hat man uns noch vorgeworfen, wir würden nicht konsequent genug Maximalmaßnahmen durchsetzen, beispielsweise die Abriegelung ganzer Regionen. Jetzt werden die Maßnahmen als zu gravierend und einschränkend empfunden. Ich beurteile unsere bisher gewählten und empfohlenen Maßnahmen der letzten Wochen als jeweils passend und der Gefährdungslage angemessen.
 
Warum gibt es plötzlich diese harten Einschränkungen im öffentlichen Leben? Ist das Virus gefährlicher geworden? Wissen wir etwas nicht?
Nein, wir haben keinen Hinweis auf Mutationen des Coronavirus, die dieses gefährlicher machen. Wir haben allerdings neue Erkenntnisse bzgl. seines wahrscheinlichen Ausbreitungsverhaltens. Seit ca. einer Woche müssen wir annehmen, dass aufgrund von neuen Daten einer hoch renommierten Forschergruppe von der Harvard University sich das Virus im Sommer konstant weiter ausbreiten wird. Bisher lautete das Ziel, die wärmere Jahreszeit zu erreichen, um das Virus zu bremsen, Zeit zu gewinnen und die Seuche verlangsamt ablaufen zu lassen. Dieses Ziel müssen wir aufgeben. Dadurch besteht ein höheres Risiko, dass das Virus zu viele Menschen in zu kurzer Zeit befällt. Hier besteht ein wesentlicher Unterschied zu den Grippeviren, welche im Sommer fast komplett verschwinden. Diese Entwicklung ist der Grund für die härteren Einschränkungen im öffentlichen Leben.
 
Welche Menschen sind am meisten gefährdet?
Besonders gefährdet sind ältere und chronisch kranke Menschen. Wir wissen aus neuen wissenschaftlichen Veröffentlichungen, dass Menschen unter 50 Jahren nur ein sehr kleines Risiko haben, eine schwere Verlaufsform der Erkrankung zu bekommen und an dieser zu versterben (ca. 0,2-0,4 %). Zwischen 50-70 Jahren steigt das Risiko etwas an (ca. 1-3 %). Ab 80 Jahren liegt die Mortalität der Erkrankung nach jetzigen Daten bei ca. 20%. Hieraus folgt, dass wir die sehr alten Personen in Heimen, Krankenhäusern und in den Familien mit aller Kraft schützen müssen. Der Schutz der vulnerablen, also verwundbaren Personengruppen vor Infektionen ist jetzt unsere Hauptaufgabe. Um es zu verdeutlichen: Bei dieser Infektion ist der 8-Jährige Enkel für den Opa das größere Risiko, als der Opa für den Enkel. Dieser Umstand sollte auch bei Veranstaltungsabsagen abseits der 1000 Personen-Regel bedacht werden. Einen Seniorennachmittag mit 150 Teilnehmern würde ich aktuell persönlich absagen, ein Fußballspiel der Regionalliga mit 2000 Fans im offenen Stadion würde ich durchführen (in Abhängigkeit der Lage in der unmittelbaren Region). Unsere regionale Entscheidungskompetenz lässt uns diese Spielräume.
 
Welche Situation müssen wir unbedingt vermeiden?
Vermeiden müssen wir eine Situation, in der viele Menschen zur gleichen Zeit erkranken. Dann könnte die Anzahl der Personen, die eine intensivmedizinische Betreuung benötigen, zu groß werden. Überall dort, wo das Gesundheitssystem überlastet ist, überall dort, wo man nicht mehr in der Lage ist, die Schwerkranken intensivmedizinisch durch die Krankheit zu begleiten, steigen die Sterbezahlen deutlich an. Auch Italien befindet sich- zumindest in einigen Regionen- in dieser Überlastungssituation.
 
In meinem Bekanntenkreis sind einige Leute hysterisch und andere völlig gleichgültig. Wie soll ich mich verhalten?
Definitiv falsch ist eine hysterische, übersteigerte Reaktionsweise. Hamsterkäufe sind unangebracht, Desinfektionsmittel und Schutzausrüstung zu Hause zu horten ist unangebracht. Man muss ganz offen sagen: Hysterische Bevölkerungsgruppen sind für die Funktionalität eines Gesundheitssystems in Belastungssituationen eine größere Gefahr, als die Gruppe der erkrankten Personen. Dass beispielsweise im Katholischen Krankenhaus in Zweibrücken öffentlich zugängliche Desinfektionsmittel geklaut werden, ist vollkommen irrational – und außerdem auch höchstgradig unsozial.
Definitiv falsch ist auch die Haltung: „Mir ist alles egal und ich lasse mich durch dieses aufgebauschte Medienphänomen nicht im Geringsten in meinen alltäglichen Verhaltensweisen beeinflussen.“
Dieses Verhalten ist eine unangebrachte Verharmlosung der Coronavirus-Infektion.
Angebracht ist, sich sachbezogen zu informieren und sich an die kommunizierten Verhaltenstipps zu halten. Diese sind über mehrere Instanzen geprüft. Sie sind das Ergebnis eines umfassenden Abwägungsprozesses und stellen einen Mittelweg dar zwischen medizinischen und gesamtgesellschaftlichen Abwägungen.
 
Können wir das Coronavirus aufhalten und besiegen?
Aufhalten ja, eliminieren nein. Es sind einige Medikamente in der Entwicklung, die den Krankheitsverlauf zukünftig weiter abschwächen können. Auch Impfungen können in der Zukunft ein probates Mittel sein, das Virus zu bekämpfen. Die kommenden Wochen und Monate sind entscheidend, dann wird das Coronavirus nur eine weitere Infektionskrankheit sein, mit der wir Ärzte immer wieder konfrontiert werden.
 
FAZIT ZUM HEUTIGEN TAG:
 
Der Corona-Ausbruch wurde in Deutschland früh erkannt, die bisherigen Maßnahmen waren der Gefährdungslage angemessen, das Krisenmanagement funktioniert. Nicht alles läuft reibungslos, aber vieles gut.
Da ich festgestellt habe, dass ein erhebliches Informationsbedürfnis besteht, könnt Ihr gerne noch weitere Fragen an mich schicken oder hier in die Kommentare schreiben. Ich werde versuchen sie soweit wie möglich zu beantworten.
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